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Erbschein, Erbscheinsverfahren, Erbnachweis, europäisches Nachlasszeugnis

In der Praxis besteht häufig ein Bedürfnis, das Erbrecht gegenüber Gerichten, Behörden, Banken und Privatpersonen nachzuweisen. Hierzu dient der Erbschein.

Beruht die Erbfolge auf einer notariellen Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag), kann der Erbnachweis grundsätzlich auch durch Vorlage der Verfügung von Todes wegen und der Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung geführt werden; eines Erbscheins bedarf es dann nicht. Dies gilt kraft Gesetzes für den Erbnachweis gegenüber dem Grundbuchamt. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt diese Form des Erbnachweises auch gegenüber Banken genügen.

Im Erbschein werden die Person des Erblassers, das Datum des Erbfalls und die Person des Erben bezeichnet. Ferner werden die Größe des Erbteils sowie eventuelle erbrechtliche Beschränkungen (Nacherbfolge und Testamentsvollstreckung) angegeben. Andere Angaben (wie z. B. der Umfang oder die Zusammensetzung des Nachlasses, Teilungsanordnungen, Vermächtnisse oder Pflichtteilsansprüche) werden nicht aufgenommen. Der Alleinerbe erhält einen Alleinerbschein. Bei mehreren Erben kann jeder einen Teilerbschein bezüglich seines Erbteils beantragen oder einen gemeinschaftlichen Erbschein für alle Miterben. Möglich ist auch ein gemeinschaftlicher Teilerbschein für mehrere (nicht alle) Miterben.

Der Erbschein wird nur auf Antrag erteilt. Zuständig ist das Nachlassgericht, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt  hatte. Der Antragsteller hat dabei anzugeben:

  1. die Zeit des Todes des Erblassers,
  2. ob und welche Verfügungen des Erblassers von Todes wegen vorhanden sind,
  3. ob ein Rechtsstreit über sein Erbrecht anhängig ist,
  4. ob und welche Personen vorhanden sind oder vorhanden waren, durch die er von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbteil gemindert werden würde. Ist eine solche Person weggefallen, muss der Antragsteller auch angeben, in welcher Weise die Person weggefallen ist.

Wer die Erteilung des Erbscheins als gesetzlicher Erbe beantragt, hat darüber hinaus das Verhältnis anzugeben, auf dem sein Erbrecht beruht. Wer die Erteilung des Erbscheins auf Grund einer Verfügung von Todes wegen beantragt, hat die Verfügung zu bezeichnen, auf der sein Erbrecht beruht. Die Angaben zum Verwandtschaftsverhältnis sind grundsätzlich durch öffentliche Urkunden (wie Geburts- und Sterbeurkunden) nachzuweisen. Zum Nachweis der übrigen Angaben sowie zum Nachweis, dass der Erblasser zur Zeit seines Todes im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat, hat der Antragsteller vor Gericht oder vor einem Notar an Eides statt zu versichern, dass ihm nichts bekannt sei, was der Richtigkeit seiner Angaben entgegensteht. Das Nachlassgericht kann die Versicherung erlassen, wenn es sie für nicht erforderlich erachtet.

Das Nachlassgericht erteilt den Erbschein, wenn es die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.

Die Gerichtskosten für die Erteilung des Erbscheins richteten sich früher nach der KostO, heute nach dem GNotKG. Nach Nr. 12210 KV GNotKG wird für das Verfahren über den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins eine 1,0 Gebühr nach § 34 GNotKG – Tabelle B erhoben. Für die regelmäßig erforderliche eidesstattliche Versicherung fällt nach Nr. 23300 KV GNotKG eine Gebühr in gleicher Höhe an. Wird mit der Niederschrift über die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung zugleich der Erbscheinsantrag beurkundet, wird mit der Gebühr nach Nr. 23300 KV GNotKG insoweit auch das Beurkundungsverfahren abgegolten.

Eine anwaltliche Vertretung im Erbscheinsverfahren ist nicht vorgeschrieben, jedoch immer zulässig und stets dann zu empfehlen, wenn das Erbscheinsverfahren streitig wird, z. B. wenn man mit dem durch einen anderen Beteiligten gestellten Erbscheinsantrag nicht einverstanden ist oder wenn ein anderer Beteiligter Einwände gegenüber dem eigenen Erbscheinsantrag geltend macht.

Stellt sich nachträglich heraus, dass der erteilte Erbschein unrichtig ist, so hat ihn das Nachlassgericht einzuziehen. Mit der Einziehung wird der Erbschein kraftlos.

Nach dem Gesetz wird vermutet, dass dem im Erbschein bezeichneten Erben das im Erbschein angegebene Erbrecht zusteht und dass er nicht durch andere als die angegebenen Anordnungen beschränkt ist. Der Erbschein genießt öffentlichen Glauben. Soweit die Vermutung reicht, gilt der Inhalt des Erbscheins zugunsten desjenigen, der vom im Erbschein bezeichneten Erben durch Rechtsgeschäft einen Erbschaftsgegenstand erwirbt, als richtig. Dasselbe gilt, wenn an den im Erbschein bezeichneten Erben auf Grund eines zur Erbschaft gehörenden Rechts eine Leistung bewirkt (z. B. Miete bezahlt) wird. Beides gilt allerdings dann nicht, wenn der Vertragspartner die Unrichtigkeit des Erbscheins kennt oder weiß, dass das Nachlassgericht die Rückgabe des Erbscheins wegen Unrichtigkeit verlangt hat.

Für Erbfälle seit dem 17.08.2015 kann der Erbnachweis statt durch einen Erbschein auch durch ein Europäisches Nachlasszeugnis geführt werden; und zwar nicht nur im Inland, sondern auch in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (außer Dänemark, Großbritannien und Irland). Hatte der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland, ist nach der Rechtsprechung des EuGH sogar nur ein Nachweis durch ein Europäisches Nachlasszeugnis möglich; ein Erbschein kann mangels Zuständigkeit deutscher Nachlassgerichte daneben nicht beantragt werden. Bei Erbfällen ohne Auslandsbezug ist die Beantragung eines deutschen Erbscheins vorzuziehen, da die durch das Nachlassgericht erteilten beglaubigten Abschriften des Europäischen Nachlasszeugnisses lediglich für einen begrenzten Zeitraum von sechs Monaten gültig sind.

In unserer Kanzlei steht Ihnen für alle Fragen zum Erbschein und zum Europäischen Nachlasszeugnis Fachanwalt für Erbrecht Dietmar C. Schilling zur Seite. Sie erreichen ihn über unser Kontaktformular, ebenso telefonisch oder persönlich an unseren Kanzleistandorten in Stuttgart und Tübingen.