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Pflichtteilsentziehung

 

Wird eine Person enterbt, welche zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehört, steht ihr ein Pflichtteilsanspruch zu. Zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehören Abkömmlinge, der Ehepartner, der eingetragene Lebenspartner sowie – wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind – die Eltern.

Unter bestimmten – sehr eng gezogenen – Voraussetzungen ist eine über die Enterbung hinausgehende Entziehung des Pflichtteils möglich.

Der Erblasser kann einem Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil entziehen, wenn dieser dem Erblasser, dem Ehegatten des Erblassers, einem Abkömmling des Erblassers oder einer dem Erblasser ähnlich nahestehenden Person nach dem Leben trachtet.

Der Pflichtteil kann ferner demjenigen entzogen werden, der sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen den Erblasser, den Ehegatten des Erblassers, einen Abkömmling des Erblassers oder eine dem Erblasser ähnlich nahestehenden Person schuldig macht. Verbrechen sind Straftaten, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bedroht sind. Ob ein schweres Vergehen vorliegt, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.

Des Weiteren kann der Erblasser demjenigen den Pflichtteil entziehen, der die ihm dem Erblasser gegenüber gesetzlich obliegende Unterhaltspflicht böswillig verletzt. Gegenüber Abkömmlingen hat dieser Pflichtteilsentziehungsgrund kaum praktische Relevanz, da wer auf Unterhaltsleistungen durch seine Abkömmlinge angewiesen ist, kaum über nennenswerten Nachlass verfügen wird.

Die größte praktische Relevanz hat eine im Rahmen der Erbrechtsreform neu eingeführte Regelung. Danach kann der Erblasser demjenigen den Pflichtteil entziehen, der wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und dessen Teilhabe am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist. Dasselbe gilt, wenn die Unterbringung des Pflichtteilsberechtigten in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird. Aufgrund der Verurteilung des Pflichtteilsberechtigten muss die Nachlassteilhabe für den Erblasser unzumutbar sein. Problematisch ist in diesem Zusammenhang der unbestimmte Rechtsbegriff der „Unzumutbarkeit der Nachlassteilhabe“. Die Straftat muss nicht lediglich den allgemeinen Wertvorstellungen in hohem Maße widersprechen (dies ist durch die Verurteilung dokumentiert), sondern auch den persönlichen in der Familie gelebten Wertvorstellungen des Erblassers.

Die Entziehung des Pflichtteils erfolgt durch letztwillige Verfügung (Testament, Erbvertrag). Der Grund der Entziehung muss bei Errichtung bestehen und in der Verfügung angegeben werden. Bei einer Entziehung des Pflichtteils desjenigen, der wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und dessen Teilhabe am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist, muss bei Testamentserrichtung die Tat begangen sein und der Grund für die Unzumutbarkeit vorliegen; beides muss in der Verfügung angegeben werden. Dies führt in der Praxis dazu, dass eine Pflichtteilsentziehung ohne Konsultation eines Sachkundigen eher selten gelingen wird.

Das Recht zur Entziehung des Pflichtteils erlischt durch Verzeihung. Eine Verfügung, durch die der Erblasser die Entziehung angeordnet hat, wird durch die Verzeihung unwirksam. Die Verzeihung ist keine Willenserklärung, sie kann formlos (auch schlüssig) erfolgen. Sie muss nicht gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten erfolgen. Eine einmal erfolgte Verzeihung kann nicht wieder rückgängig gemacht werden.

In unserer Kanzlei betreut Sie der erfahrene Fachanwalt für Erbrecht Dietmar C. Schilling. Er prüft, ob im konkreten Fall Gründe für eine Pflichtteilsentziehung vorliegen und setzt diese ggf. rechtssicher um. Sie erreichen ihn über unser Kontaktformular, ebenso telefonisch oder persönlich an unseren Kanzleistandorten in Stuttgart und Tübingen.