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Pflichtteil

Wird eine Person enterbt, welche zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehört, steht ihr ein Pflichtteilsanspruch zu. Zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehören Abkömmlinge, der Ehepartner, der eingetragene Lebenspartner sowie – wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind – die Eltern.

Die (ausdrückliche oder konkludente) Enterbung ist grundsätzlich Voraussetzung für das Entstehen des Pflichtteilsanspruchs; nur in Ausnahmefällen kann der Pflichtteil auch verlangt werden, wenn die Erbschaft ausgeschlagen wurde. Der in der Praxis weitaus häufigste Ausnahmefall ist jener des § 2306 BGB: Wenn ein als Erbe berufener Pflichtteilsberechtigter durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt oder mit einem Vermächtnis oder einer Auflage beschwert ist, kann er den Pflichtteil verlangen, wenn er die Erbschaft ausschlägt. Die Ausschlagungsfrist beginnt erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt. Eine weitere Ausnahme besteht für Ehegatten, die im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt haben. Hier kann der überlebende Ehegatte die Erbschaft ausschlagen und trotzdem neben dem Ausgleich des Zugewinns den Pflichtteil verlangen, es sei denn, dass er mit dem verstorbenen Ehegatten einen Erbverzicht oder Pflichtteilsverzicht geschlossen hat. Die Ausschlagung lediglich eines Vermächtnisses beseitigt den Pflichtteilsanspruch hingegen nicht.

Der Pflichtteilsanspruch ist ein reiner Geldanspruch gegen den oder die Erben. Der Pflichtteilsberechtigte hat keine Erbenstellung; er ist am Nachlass nicht beteiligt und hat keinen Anspruch auf Gegenstände aus dem Nachlass. Der Pflichtteilsanspruch beträgt die Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils. Um den Pflichtteil berechnen zu können, ist zunächst festzustellen, wie hoch der Erbteil des Pflichtteilsberechtigten bei gesetzlicher Erbfolge wäre. Die so ermittelte Pflichtteilsquote ergibt multipliziert mit dem Nachlasswert den Pflichtteilsanspruch. Um den Pflichtteil beziffern zu können, muss der Pflichtteilsberechtigte also den Wert des Nachlasses kennen. Das Gesetz gewährt ihm hierzu einen Auskunfts- und einen Wertermittlungsanspruch gegen den Erben.

Zuwendungen, die der Pflichtteilsberechtigte zu Lebzeiten des Erblassers von diesem erhalten hat, muss sich der Pflichtteilsberechtigte nur dann auf den Pflichtteil anrechnen lassen, wenn bei der Zuwendung bestimmt wurde, dass eine Anrechnung erfolgen soll. In der Praxis wird die Anrechnungsbestimmung häufig vergessen. Dies hat oft fatale Folgen, da eine nachträgliche Anrechnungsbestimmung nicht möglich ist.

Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Erbfall und ist grundsätzlich sofort zur Zahlung fällig. Unter den engen Voraussetzungen des § 2331a BGB kann der Erbe die Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs für den Erben wegen der Art der Nachlassgegenstände eine unbillige Härte wäre, insbesondere wenn sie ihn zur Aufgabe des Familienheims oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsguts zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Für die Entscheidung über eine Stundung ist, wenn der Anspruch nicht bestritten wird, das Nachlassgericht zuständig, andernfalls das Prozessgericht. Dabei hat das Gericht die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.

Der Pflichtteil verjährt in 3 Jahren. Bei nach dem 01.01.2010 eingetretenen Erbfällen beginnt die Verjährung erst mit Schluss des Jahres, in dem der Pflichtteilsanspruch entstanden ist und der Pflichtteilsberechtigte von seinem Pflichtteilsanspruch Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit Kenntnis hätte erlangen können (Jahresendverjährung). Unabhängig von der Kenntnis verjährt der Pflichtteilsanspruch nach 30 Jahren.

In unserer Kanzlei betreut Sie der erfahrene Fachanwalt für Erbrecht Dietmar C. Schilling. Er übernimmt für Sie die Durchsetzung Ihrer Pflichtteilsansprüche bzw. unterstützt Sie bei der Abwehr von Pflichtteilsansprüchen, sei es außergerichtlich oder vor Gericht. Er berät Sie auch zur Pflichtteilsvermeidung, entwickelt Strategien und setzt diese mit Ihnen um. Sie erreichen ihn über unser Kontaktformular, ebenso telefonisch oder persönlich an unseren Kanzleistandorten in Stuttgart und Tübingen.